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Was uns der Controlling-Wahn gelehrt hat

Aktualisiert: 22. Apr. 2019


Unter den alten Marxisten gab es lange die Debatte, ob man durch den bürgerlichen Kapitalismus durch muss, um zum gelobten Sozialismus zu kommen. Das Überspringen einer Stufe - so beharrten die klassischen Evolutionstheorien des 19. Jahrhunderts, von denen der Marxismus halt eine ist - gibt es nicht. Auch wenn das unangenehm ist, macht man auf dem Weg zumindest wichtige Erfahrungen. Der aktuelle Spätkapitalismus hat uns etwa gezeigt, dass eine alte These zur gesellschaftlichen Arbeitsteilung offenbar nicht stimmt:


Früher meinte man, dass Ärzte, Architekten, Wissenschaftler, Krieger, Rechtsgelehrte, Priester, selbst hochspezialisierte Handwerker, sich hauptsächlich und voll und ganz ihrer jeweiligen Kunst widmen müssen, damit sie effektiv und exzellent darin sind und bleiben.

Deswegen, so das Argument, müssten andere - Frauen, Dienstpersonal und all die Arbeiter - die Mühen der Reproduktivarbeit und Grundversorgung von den Schultern dieser hochsensiblen Spezialisten nehmen, was aber im Endeffekt dem Vorteil aller diene.


Im aktuellen Controlling-Kapitalismus verbringen eben solche Spezialisten aber mittlerweile bis zu 40% ihrer Arbeitszeit damit, Listen, Formulare, Berichte und Excelltabellen zu befüllen, damit irgenwelche Leute mit Bullshitjobs (dazu ein andermal mehr) auch was zu tun haben. Trotzdem ist unsere hochspezialisierte, hocharbeitsteilige Gesellschaft nicht zusammengebrochen.


Ergo: Auf der nächsten Stufe der sozialen Evolution spricht also nichts dagegen, dass auch Spezialisten ihren Teil zur Reproduktiv- und Grundversorgungsarbeit beitragen (bis zu 40% ihrer Arbeitszeit sind nachweislich disponibel), was uns endlich von der Notwendigkeit befreit, einen erklecklichen Teil der Bevölkerung ein Leben lang dazu zu verdammen, sich ausschließlich diesen Tätigkeiten zu widmen und damit ihre Talente zu verschwenden.


Wie es in Japan gute Sitte ist, verneigen wir uns vor dem Lauf der Weltgeschichte und sagen: "Wir danken für die Belehrung."

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